Frustrationstoleranz ist ein langes Wort. Und lang spielt hier auch eine entscheidende Rolle: Was hält mein Tier wie lange aus? Wir reden hier nicht von Quälerei, denn Katzen sind zähe kleine Wesen. Sie können leiden. Aber natürlich sollten sie es keinesfalls müssen. Dennoch spielt Frustrationstoleranz, wie sie obenstehend ganz einfach definiert wurde, nicht nur beim Tricktraining eine entscheidende Rolle.

Welche Frustrationstoleranz besitzt meine Katze?

Je nach Katze gibt es unterschiedliche Möglichkeiten diese festzustellen. Falls die Katze sich schon bei kleinen Anforderungen verweigert, würde ich direkt von einer niedrigen Schwelle ausgehen. Einfaches Hochheben, nicht-aufdringliche Annäherung oder auch das Abhalten (wenn sie z.B. nicht in ein bestimmtes Zimmer gehen sollen) sind erste Hinweise. Ich habe im Moment drei Katzen hier bei mir: Mowgli, der seit zweieinhalb Jahren bei mir lebt, Nemo, den Heißsporn, den ich vor anderthalb Jahren zu mir geholt habe und Simba, der „nur“ Pflegekatze ist, sich aber langsam ganz gut bei uns einlebt. An diesen dreien kann man wunderbar eine Skala zeichnen. Legt man die Katze auf dem Rücken auf den Schoß, kann man hier anhand der Zeit, die sie so verbleiben, eine Einschätzung zur Frustrationstoleranzschwelle geben. Simba zappelt schon nach wenigen Sekunden und möchte wieder auf seinen eigenen vier Pfoten stehen. Da der Kater noch kein großes Vertrauen zu mir aufbauen konnte, darf er natürlich sofort gehen. Nemo hält es deutlich länger aus. Zwischendrin windet er sich kurz, wenn ich ihn an mich drücke, wird er ruhig und akzeptiert die „unangenehme Lage“. Nach knapp einer Minute zeigt er seinen Unmut und maunzt kurz. Zeit zu gehen. Simba hätte in dieser Situation auf Grund fehlenden Vertrauens und Trainings aggressiv reagiert, weswegen ich bei ihm bereits bei leichtem Zappeln losließ. Der letzte im Bunde ist Mowgli. Wir beide haben einen speziellen „Draht“ zueinander und wenn ich ihm klarmachen kann, dass alles in Ordnung ist, vertraut er darauf und bleibt ruhig. Leichtes Zappeln und Meckern zeigt auch er, wenn ich beruhigend auf ihn einrede und ihn etwas an mich drücke, fällt allerdings jeder Widerstand von ihm ab. Ich lasse ihn nach einer Weile herunter, es hätte aber ewig gehen können.

Ganz wichtig ist mir an dieser Stelle, dass das beschriebene Verfahren nicht als Test angewendet wird – ich möchte die Frustrationstoleranz lediglich illustrieren. Das klappt nur, weil ich die Katzen bereits vor dem „Test“ gut einschätzen konnte und weiß, wie ich ihre Signale verstehen und auf sie reagieren muss! Katzen können sehr empfindlich auf Unhöflichkeiten reagieren, weswegen dieser Test nur (wenn überhaupt!) für gut eingelebte und entspannte Katzen gedacht ist. Wer keine Probleme mit seinen Stubentigern hat, dollte davon absehen – wer Probleme hat, sollte einen Experten zu Rate ziehen! Bitte keine Experimente! Katzenerfahrene Halter wissen in der Regel ohnehin, wenn und wann es der Katze zuviel wird. Diese Gesten sollten respektiert werden und dementsprechend als Anhaltspunkt für den weiteren Umgang mit dem Tier gelten.

Was bedeutet eine Frustrationstoleranzgrenze?

Die Frustrationstoleranzgrenze ist ein wichtiges Verständigungsmodul zwischen uns und unseren Katzen. Eine Katze ist nicht zickig und auch nicht unumgänglich. Wenn sie interveniert, fühlt sie sich unter den gegebenen Umständen nicht wohl. Je unverträglicher sich die Katze dabei präsentiert, desto niedriger ist – bei gleichen Bedingungen – ihre Frustrationstoleranzgrenze. Die Katze braucht jetzt Hilfe. Im Zweifelsfall ist hier Laissez-faire das Mittel der Wahl. Die Katze muss zur Ruhe kommen und sich in ihrem Umfeld wieder wohl fühlen, um sich irgendwann auf den Menschen einlassen zu können. Gerade Katzen, die aus einem unsicheren Umfeld kommen (Tierheim, Privatvermittlung, schlechte Haltungsbedingungen, Verlust einer Bezugsperson etc.) haben oft eine sehr niedrige Frustrationstoleranz: Sie lassen es sprichwörtlich nicht darauf ankommen und sehen den Angriff als die beste Verteidigung. Die Auslöser für diese Frustreaktionen können in menschlichen Augen dabei verschwindend gering erscheinen. Beginnt sich die Katze in ihrem (neuen) Umfeld wohler zu fühlen, steigt die Frustrationstoleranzgrenze in der Regel von ganz alleine. Mit wachsendem Vertrauen steigt sie weiter. Wer innerhalb dieses Prozesses seiner Katze eine Zusammenarbeit anbietet (z.B. in Form von Tricktraining) kann die Grenze immer weiter wegschieben. Das Tier gewinnt Selbstbewusstsein hinzu und entspannt durch den Spaß an der gemeinsamen Arbeit und die Erfolgserlebnisse zusehends.

Kleines Beispiel gefällig? Mowgli, der „Sieger“ meiner kleinen Illustration, war noch vor zweieinhalb Jahren ein ängstlicher Schatten eines Katers, der bei jedem lauten Wort oder Dielenknarzen unter Bett oder Schrank verschwand. Mittlerweile beherrscht er mehr Kommandos als die meisten Hunde, fordert mit Nachdruck Belohnungen ein und weist Neuankömmlinge kompetent in die Do’s & Don’t’s unserer kleinen Pflegestelle ein! Sicher steckte dieses liebenswürdige Selbstbewusstsein schon immer irgendwo in Mowgli, ob er es aber ohne die Fördermaßnahmen so schnell und so umfassend hätte ausleben können, wage ich zu bezweifeln. Vor allem, da er eher der Kategorie „Probier’s mal mit Gemütlichkeit“ zuzuordnen ist und daher immer mal wieder eine Aufforderung brauchte, um nicht in die traurige Lethargie vieler Wohnungskatzen zu verfallen.

Wie wir dahin gekommen sind, wo wir jetzt stehen (worauf ich sehr stolz bin), beschreibe ich bald in aller Liebe zum Detail in diesem Blog. Wer einen kleinen Vorgeschmack auf Mowglis Tricks möchte, sieht hier die ersten Schritte unserer Arbeit – die Basislektionen: http://bit.ly/ytmowgli1

Man beachte die latente Übermotivation 🙂